Der Steingadener St. Ulrichsritt

Drei Pferdepatrone haben Künstlerhände in der Heiligkreuz-Kirche auf dem Kreuzberg bei Steingaden auf die Decke und die beiden Seitenaltarblätter gemalt: Den heiligen Sieger in der Lechfeldschlacht von 955, den Augsburger Bischof und Diözesanpatron St. Ulrich; die beiden deutschen und alemannischen Schirmherren unserer Rösser: St. Coloman und St. Wendelin. Dies ist wohl Grund genug für die Steingadener, wenigstens einen dieser guten Patrone alljährlich einmal gebührend zu ehren.

Seit "unfürdenklichen Zeiten", wohl seit der Pestzeit von 1564, als der Steingadener Abt Joachim Wiedemann das Kirchlein zum Heiligen Kreuz auf den grünen Hügel über dem Biberschwöller See errichten ließ und als die Pesttoten der bäuerlichen Gemeinde Fronreiten im Schatten dieses Heiligtums zur letzten Ruhe bestattet wurden, reiten sie dreimal um den Hügel vor den Trauchbergen. Immer am Sonntag nach dem St. Ulrichstag (4. Juli) sammeln sich die Reiter auf dem weiten Steingadener Marktplatz, vor der Kulisse des Welfenmünsters, bevor sie unter dem Vorantritt der Steingadener Blaskapelle nach Süden ziehen. Frohgestimmte Menschen säumen zu beiden Seiten der Füssener Straße den Zug der Reiter und Wagen, der sich zum grünen Hügel bewegt. Liebevoll geziert sind die schweren Pferde aus den Gemeinden Steingaden, Prem, Trauchgau und Wildsteig.

Meist lacht ein strahlender Himmel auf die ungezählten Gläubigen hernieder, die andächtig die Ansprache des Steingadener Pfarrherrn hören, der Eucharistiefeier beiwohnen, die Benedizierung der Pferde, das Heldengedenken und den dreimaligen Umritt erleben. Oft sind es gegen 100 Reiter und Rösser, die den Segen des hl. Ulrich empfangen. Es gehört zu den Erfordernissen der Teilnahme, daß alle Pferdebesitzer in der einheimischen Tracht mittun und die Pferde des Oberländer Schlags von fleißigen Frauenhänden reichlich und stilvoll geschmückt werden. Selbst Landwirte, die kein Pferd mehr halten, haben sich um den St. Ulrichsritt verdient gemacht.

In schöner Ordnung bewegt sich der Zug um die Mittagsstunde wieder talwärts, bis im alten "Klosterhof" vor den romanischen Westtürmen des Welfenmünsters der Pfarrherr von allen Reitern sich verabschiedet.

Wir verraten kein Geheimnis, wenn wir feststellen: Der St. Ulrichsritt um den Kreuzberg südlich von Steingaden, der ohne laute Reklame, ohne Festzeichen und ohne Lautsprecher Jahr um Jahr von heimattreuen Menschen durchgeführt wird, gehört noch zu jenen wenigen, volksfrommen Bräuchen, die alt, echt und ehrwürdig zugleich sind.

Dr. Sigfrid Hofmann

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